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Die hartnäckige Mär von den Lerntypen


Viele Anbieter werben damit, dass sie mit den Kindern deren indivduellen Lerntyp klären, bevor sie in den Stoff einsteigen.

Auch Lerntrainer und -coaches machen dieses Konzept zur Grundlage ihrer Arbeit mit den Kindern. Sogar Lehrkräfte vertreten diese Theorie.

Update: auch ein großes Portal zum Herunterladen von schriftlichen Prüfungen vertritt auf seiner Internetseite diese Theorie - ich habe die Verantwortliche angeschrieben, leider kam keine Reaktion.

Diese vier Lerntypen oder -stile sollen sein: "visuell", "auditiv", "lesend & schreibend" und "kinästhetisch", manchmal wird aus "lesend & schreibend" auch "motorisch". Einige Vertreter dieser Theorie haben auch noch weitere Kategorien hinzugefügt. Die Aufnahme des Lernstoffs soll also durch unterschiedliche Sinneskanäle erfolgen, deren Anteil am Lernerfolg bei den Lernenden unterschiedlich gewichtet ist:

Auditive Typen nehmen Gehörtes besser auf als Lernstoff, der nur visuell präsentiert wird. Andere wiederum sollen durch das Schreiben (Bewegung der Hand) besser lernen, während der kinästhetische Typ durch Ausführung (also z.B. durch den Bau von Modellen) bessere Erfolge erzielt.

Das ist Quatsch. Schlicht und ergreifend. Die Aufteilung in 4 oder manchmal auch 7 Lerntypen ist viel zu verkürzt und mag allerhöchstens auf reines Auswendiglernen zutreffen. Wer diese Lerntypen-Theorie immer noch proklamiert, ist in den 1970ern hängengeblieben. "Schuld" an der Verbreitung dieser Theorie im deutschsprachigen Raum hat wohl Frederic Vester, der in seinem Buch "Denken, Lernen, Vergessen" (1975), dass inzwischen in der 25. Auflage (!!!) erschienen ist. Wahrscheinlich liegt es am ungebrochenen Erfolg dieses Werks, dass sich die Mär von den Lerntypen so hartnäckig hält.

Besonders unseriös sind sogenannte Lerntypen-Tests, die durch die Beantwortung von nicht selten nur zehn (!!!) Fragen feststellen sollen, welchen Sinneskanal ein Kind bevorzugt. Also bitte.

Die Wissenschaft hat durchaus versucht, Belege für diese Theorie zu finden, allerdings konnten keine Evidenzen gefunden werden. Allen Untersuchungen, die die Existenz von Lerntypen beweisen, konnte fehlerhaftes Design nachgewiesen werden. Diese sind damit irrelevant für den wissenschaftlichen Diskurs. Lerntypen gibt es nicht.

Viel wichtiger und vor allem wirksamer im Hinblick auf bleibenden Lernerfolg sind

  • kognitive Lernstrategien (Elaboration = vertiefte Informationsverarbeitung im Gehirn, Strukturierung des Lernstoffs, Wissensnutzung),

  • metakognitive Strategien (Selbstkontrolle und -regulation, z.B. durch das Führenn eines Lerntagebuchs) und

  • Ressourcenmanagement (wie z.B. Zeitplanung, Ziele setzen).

Übrigens: genau diese Dinge trainiere ich mit Ihren Kindern bei den Kursen zum Thema "Lernen lernen".

Ein paar (wissenschaftliche) Quellen zum Weiterlesen finden Sie hier:

Oder Sie suchen selbst einmal im Internet nach dem Stichwort "Lerntypen" oder "learning styles"sdf. Ihnen wird auffallen, wie unglaublich viele Seiten diesen Unsinn weiterverbreiten. Erschreckend.

Sollten Sie also mit jemandem in Kontakt kommen, der Ihnen den Lerntypen-Bären aufbinden will, oftmals aus Mangel an besserem Wissen, klären Sie die Person einfach mal auf. Denn diese Behauptungen sind schlichtweg falsch und damit gefährlich, denn nicht selten werden sie von Menschen mit pädagogischem oder psychologischem Hintergrund vertreten, die es eigentlich wirklich besser wissen sollten. Man muss sich schon sehr wundern, wie unkritisch manche angeblichen Fakten einfach übernommen werden, ohne einmal nachzufragen, ob an der Geschichte wirklich etwas dran ist. Meiner Meinung nach grenzt die Arbeit auf Basis dieser kruden Theorie schon an Kindswohlgefährdung, denn hier wird etwas vorgekaukelt, was überhaupt keine Wirkung zeitigen kann. Kinder entwickeln nach den ausbleibenden Erfolgen eventuell Selbstzweifel bis hin zu Prüfungsängsten, weil sie glauben, dass mit ihnen etwas nicht stimmt - dabei wird mit einem Konzept gearbeitet, dass gar nicht funktionieren kann.

Die GWUP hat 2018 Axel Ebert bei der Skepkon zu Gast gehabt - zu den Lerntypen ab ca. Minute 14:30.

Das Buch von Axel Bert finden Sie hier:

Zum Schluss hat der Kognitionspsychologe Prof. Daniel Willingham das Wort - übrigens nicht der einzige seriöse Wissenschaftler, der auf YouTube etwas zur Lerntypen-Theorie zu sagen hat:

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